Palmöl steht seit vielen Jahren in der Kritik und auch im Frühjahr 2021 wird erneut heftig darüber debattiert. Die Schweiz hat nämlich am 7. März über das Freihandelsabkommen mit Indonesien abgestimmt, das insbesondere Palmöl betrifft. Einige NGOs sind zwar der Ansicht, die vom Bund festgelegten Rahmenbedingungen seien ausreichend, um den Import von nachhaltigem Palmöl zu garantieren, doch andere halten diese Massnahmen für unzureichend, um alle Probleme rund um die Gewinnung dieses Produkts zu lösen. Gilt nachhaltiges Palmöl im Jahr 2021 weiterhin als Utopie, die von verschiedenen Akteuren, darunter auch von der Lebensmittelindustrie, hochgehalten wird? Oder ist es eine von der Wissenschaft bestätigte Realität?
Einige Zahlen zum Palmöl
Palmöl weist bei Raumtemperatur eine feste Konsistenz auf und wird von der Lebensmittelindustrie wegen seiner hervorragenden Eigenschaften (hitzestabil, geschmacksneutral) gerne für die unterschiedlichsten Produkte verwendet. Dieses Öl weist sowohl bei der Verwendung als auch bei der Produktion viele Vorteile auf: Pro Hektar Anbaufläche können von der mehrjährigen Ölpalme 1,9 bis 4,8 Tonnen Palmöl gewonnen werden gegenüber 0,4 bis 0,8 Tonnen Sojaöl oder 0,7 bis 1,8 Tonnen Rapsöl (Meijaard et al., 2020). Aus diesem Grund wurde das Palmöl in der Schweiz zu dem Öl, das am dritthäufigsten verwendet wird (OFAG, 2020) und das grösstenteils aus Malaysia (22 %) und von den Salomoninseln (22 %) stammt, gefolgt von Papua-Neuguinea (15 %), Elfenbeinküste (9 %) und Kambodscha (8 %) – aus Indonesien hingegen kommen weniger als 1 % der Schweizer Importe (WBF, BLW, März 2019). Weltweit belegen Malaysia und Indonesien die beiden ersten Plätze als grösste Produzenten, da 85 % des Palmöls in diesen beiden Ländern gewonnen wird (OECD/FAO, 2019).
Die Explosion der Nachfrage nach diesem Produkt seit 2000 forderte einen hohen ökologischen Tribut von diesen beiden Staaten: Zwischen 2000 und 2012 wurden effektiv über 6 Millionen Hektar des indonesischen Primärwalds gerodet, um Ölpalmen anzupflanzen (Margono et al., 2014). Diese Entwaldung verursacht nicht nur enorme CO2-Emissionen, sondern sorgt auch für die endgültige Zerstörung ausserordentlich vielfältiger und unersetzlicher Ökosysteme. Man geht davon aus, dass der Anbau von Palmöl eine der grössten Gefahren für das Überleben von 193 verletzlichen oder bereits aussterbenden Arten darstellt (IUCN, 2019). Doch in der Kritik stehen nicht nur die ökologischen Aspekte: Zahlreiche Organisationen bemängeln auch die sozialen Folgen des Palmölanbaus, nämlich Zwangsarbeit, Kinderarbeit, geschlechterspezifische Diskriminierung oder Arbeitsbedingungen, die der Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter schaden – diese Verstösse gehören bei der Palmöl-Produktion zur Tagesordnung (Amnesty, 2016). Aus diesem Grund erheben sich zahlreiche Stimmen, die mehr Nachhaltigkeit bei der Gewinnung dieses Produkts fordern.
Wenig überzeugende Anfänge
Seit 2004 wird nachhaltiges Palmöl hauptsächlich durch das RSPO-Label zertifiziert. Die Abkürzung steht für «Round table on Sustainable Palm Oil», (dt.: Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl). Diese vor allem vom WWF ins Leben gerufene Organisation möchte auf freiwilliger Basis alle Akteure der Palmöl-Lieferkette zusammenbringen.
Das RSPO-Label beruht auf Prinzipien und Kriterien, die alle 5 Jahre überarbeitet werden, und hat 2020 unter der Mitwirkung von 4971 Mitgliedern 19 % des weltweiten Palmöls auf einer Anbaufläche von 3,26 Millionen Hektar zertifiziert (RSPO, 2020). Diese beeindruckenden Zahlen gingen allerdings mit heftiger Kritik von verschiedenen NGOs einher, zu denen auch Biovision gehörte. Die Vorwürfe betrafen insbesondere soziale Aspekte, wie die mangelnde Integration der lokalen Bevölkerung, Zwangsarbeit oder den Ausschluss von Kleinbauernfamilien zugunsten grosser Produzenten. In ökologischer Hinsicht fiel die Kritik vernichtend aus, vor allem aufgrund der laschen Haltung bezüglich des Schutzes von bedeutenden Ökosystemen, und dies zu Recht: Vor 2018 waren ausschliesslich Wälder mit hohem Schutzwert (High Conservation Value, HCV) sicher, nicht gerodet zu werden: Es sind Wälder, deren «aussergewöhnlicher Wert oder kritische Bedeutung» durch sechs Kriterien belegt werden musste, wie beispielsweise einen hohen Biodiversitätswert oder die Präsenz seltener, bedrohter oder aussterbender Ökosysteme (RSPO, 2017). Jeder Wald, der diese sechs Kriterien nicht erfüllte, galt als nicht schützenswert. Ausserdem durften in den Wäldern, die nach 2005 gerodet worden waren, auch keine Plantagen angelegt werden, während Torfmoore, die hohe Mengen an CO2 einlagern können und sich durch eine unglaubliche Biodiversität auszeichnen, überhaupt keinen Schutz durch den RSPO genossen. Diese Flächen durften rücksichtslos trockengelegt werden, um sogenanntes «nachhaltiges» Palmöl anzubauen.
Diese verschiedenen Unzulänglichkeiten des RSPO-Siegels haben mehrere Schweizer Supermärkte dazu veranlasst, strengere Richtlinien zu erlassen, um ein Palmöl zu garantieren, das den Erwartungen der Verbraucher besser entspricht (siehe Kasten). Viele der Kritikpunkte, die an dieser Zertifizierung geäußert wurden, sind jedoch nach der Einführung der neuen Prinzipien und Kriterien, die der RSPO 2018 herausgegeben hat, verstummt.
Die neue Prinzipien und Kriterien für nachhaltiges Palmöl
Obwohl der Begriff «null Entwaldung» immer noch nicht genannt wird, stellen die neuen Weisungen mit dem Kriterium «keine Entwaldung» immerhin eine Annäherung dar: Endlich ist die Abholzung nicht nur in den Wäldern mit hohem Schutzwert (HCV) sondern auch in sämtlichen Primär- und Naturwäldern (d.h. nicht neu gepflanzt) sowie in Gebieten mit hohem Kohlenstoffbestand (High Carbon Stock, HCS) verboten, die auch Wälder mit hoher bis geringer Dichte sowie junge, sich regenerierende Wälder umfassen (RSPO, 2018). Dank diesem Ansatz können nun auch jüngere und weniger dichte Ökosysteme eingeschlossen werden, die zum Zeitpunkt der Beurteilung wenige gefährdete Arten beherbergen. Zudem können letztere von degradierten Gebieten unterschieden werden, die kaum Kohlenstoff im Boden enthalten (RSPO, 2018) – diese in den früheren Prinzipien und Kriterien fehlende Differenzierung war scharf kritisiert worden.
Es besteht allerdings weiterhin eine Ausnahme von den Abholzungskriterien, welche die explizite Bezeichnung keine gegenüber null Entwaldung rechtfertigt: Eine Entwaldungs-Marge, die den indigenen und lokalen Bewohnern in Ländern mit starker Bewaldung zugestanden wird, um sie von dieser Zertifizierung zu überzeugen und zum Bleiben zu bewegen, während sie sich gleichzeitig wirtschaftlich weiterentwickeln. Einen bedeutenden Fortschritt stellt jedoch der Schutz von Torfmooren dar, in denen jede neue Plantage verboten ist, unabhängig von ihrer Tiefe und ohne Ausnahme (RSPO, 2018).
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, jede einzelne Änderung aufzuführen, die in diesen 2018 geänderten Prinzipien und Kriterien enthalten ist, denn es ist eine lange Liste: Verbot des Einsatzes von hochgefährlichen Pestiziden, bessere Arbeitsbedingungen und besserer Schutz insbesondere von Frauen, Migrant*innen oder Kindern sowie die Einführung von Zertifizierungsstandards für die gesamte Lieferkette, dank denen die Rückverfolgbarkeit während der gesamten Kette gewährleistet ist (RSPO, 2018).
Ist RSPO-zertifiziertes Palmöl wirklich nachhaltig?
Diese Frage ist weiterhin schwer zu beantworten und verlangt letztendlich nach einer vertiefteren Analyse, als es eine systematische Evaluierung der RSPO-Prinzipien bieten kann. Wie es bereits der WWF anmerkte, sind die von den neuen Prinzipien und Kriterien eingeführten Fortschritte extrem ermutigend, auch wenn es noch viel Luft nach oben gibt, wenn es darum geht, hundertprozentig nachhaltiges Palmöl zu garantieren.
Zu erwähnen sind beispielsweise ein weiter gehendes Verbot von Pestiziden, spontane Audits oder auch Vorgaben, um die mit der Herkunft der Rohstoffe verbundenen Risiken zu evaluieren. Das Label wird nach wie vor dafür kritisiert, vor allem den grossen Produzenten zu nützen und weniger den Familien der Kleinbauern. Der RSPO bestätigt genau dies: Das Gesamtvolumen des zertifizierten Palmöls stammt nur zu 10,17 % von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die sich zu 46 Gruppen von unabhängigen Produzenten zusammengeschlossen haben (RSPO, 2020). Eine Studie geht sogar noch weiter und hebt hervor, dass der RSPO durch seine Organisation in erster Linie den einflussreichen und in der Lieferkette bereits gut etablierten Akteuren in die Hände spielt, was einen «Manager-Diskurs über Nachhaltigkeit» fördert (Ruysschaert et al., 2019).
Folgende Schlussfolgerung drängt sich auf: Die Kennzeichnung mit einem Label ist zwar nützlich, kann aber nicht alle Probleme im Zusammenhang mit der Gewinnung von Palmöl lösen, die in 11‘000 Kilometern Entfernung von der Schweiz auftreten. Letztendlich geht es nicht nur darum, ob Palmöl nachhaltig ist. Wir sollten uns vielmehr grundsätzlich fragen, ob es wirklich Palmöl sein muss und welche Mengen für welchen Verwendungszweck sinnvoll sind.
Eine offensichtliche Empfehlung in Bezug auf nachhaltigen Konsum ruft Biovision im Rahmen seines Projekts CLEVER in Erinnerung: Warum bevorzugen wir nicht lokal hergestellte Lebensmittel und verzichten auf stark verarbeitete Produkte? In ihnen stecken nämlich oft zahlreiche ungesunde Inhaltsstoffe, die einen sehr weiten Transportweg hinter sich haben. Palmöl ist meist in Produkten wie Blätterteig zu finden und kommt in Keksen, Schokoriegeln oder Brotaufstrichen vor.
Auch wenn es vielen Haushalten derzeit noch nicht möglich ist, diese Produkte ganz zu meiden, so gibt es auf dem Markt doch bereits Fette, mit denen Palmöl ersetzt werden kann. Aus industrieller Sicht sind sie natürlich weniger interessant, doch sie punkten damit, dass sie lokal produziert werden und ihre Nachverfolgbarkeit in jeder Hinsicht garantiert ist.
So wird in der Schweiz beispielsweise Rapsöl hergestellt, das als sehr gesundes Fett gilt (siehe Kasten). Diese Ölpflanze lässt sich zudem wunderbar in die Fruchtfolge integrieren und liefert den Bauernfamilien in der Schweiz ein regelmässiges Einkommen. Natürlich ist Rapsöl nicht ganz so vielseitig einsetzbar wie Palmöl, dafür muss es aber nicht von weither angeliefert werden, wird unter guten sozialen Bedingungen hergestellt und ergibt zudem ein ordentliches Einkommen. Im Handel sind zahlreiche Brotaufstriche und Kekse erhältlich, die alternative Öle enthalten: Die Konsumentinnen und Konsumenten können sich also für Produkte entscheiden, die ihren Erwartungen in Sachen Nachhaltigkeit viel besser entsprechen.